Wie sieht die Wärmeversorgung der Zukunft aus? Die Stadtwerke Augsburg (swa) leisten mit dem Ausbau von klimaschonender Fern- und Nahwärme einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende in Augsburg. Die Wärme soll dabei auch vermehrt aus industrieller Abwärme stammen, zum Beispiel aus dem Werk der Rolls-Royce Solutions Augsburg GmbH. Rolls-Royce produziert in Augsburg mtu-Gasaggregate für die Strom- und Wärmeversorgung. swa-Vertriebsleiter Ulrich Längle und der Geschäftsführer von Rolls-Royce Solutions Augsburg GmbH, Tobias Schnell, haben jetzt die swa-Fernwärmestrategie 2040 und die Kooperation der beiden Unternehmen vorgestellt.
Bis zu 70 Prozent des Augsburger Wärmebedarfs wollen die swa bis 2045 mit Fern- oder Nahwärme decken – heute sind es rund 25 Prozent. Dafür investieren sie bis 2040 rund eine Milliarde Euro. Das Fernwärmenetz mit einer Länge von heute gut 200 Kilometern soll bis dahin deutlich erweitert und neue, zusätzliche Erzeugungsanlagen sowie Wärmespeicher gebaut werden.
Fernwärme ist technologieoffen: Erzeugung mit Biomasse, Wärmepumpen, Abwärme, Power-to-Heat, Geothermie, Wasserstoff…
„Fernwärme ist technologieoffen“, beschreibt swa-Vertriebsleiter Ulrich Längle einen der Vorteile der Fernwärme. „Wir liefern heißes Wasser in Haushalte und Unternehmen, das auf unterschiedliche Weise regenerativ erzeugt werden kann.“ Neben einem weiteren Biomassekraftwerk, Großwärmepumpen, Wärmespeichern und der Abwärme aus der Müllverbrennung, soll auch verstärkt nicht vermeidbare industrielle Abwärme für die Fernwärme genutzt werden. „Wir sind dazu mit zahlreichen Unternehmen im Gespräch“, so Länge. Mit dem ersten sei nun eine konkrete Kooperation vereinbart worden. Das Potenzial der industriellen Abwärme liegt laut Längle bei rund 60 Megawatt Leistung, soviel wie ein größeres Kraftwerk.
Mit der Abwärme der Motorenprüfstände können 500 Haushalte versorgt werden
Die Stadtwerke Augsburg haben jetzt mit Rolls-Royce Solutions in Augsburg vereinbart, dass der Hersteller von mtu-Gassystemen für die Strom- und Wärmeerzeugung seine Industrieabwärme ab Mitte 2025 in das Fernwärmenetz der swa einbringen wird. Die eingespeiste Energie ist CO2-neutral, weil sie aus der vorhandenen Abwärme der Motorenprüfstände im Werk in der Dasinger Straße gewonnen wird. Etwa 500 Haushalte können mit der zusätzlichen Wärme versorgt und dabei etwa 1.500 Tonnen CO2 pro Jahr vermieden werden.
„Wir freuen uns, gemeinsam mit unserem Kooperationspartner swa, einen Beitrag zur umweltfreundlichen Wärmeversorgung für die Stadt Augsburg und ihre Bürger leisten zu können“, erklärt Tobias Schnell, Geschäftsführer der Rolls-Royce Solutions Augsburg GmbH. Das Unternehmen ist Teil des Geschäftsbereichs Power System von Rolls-Royce, das weltweit Antriebs- und Energiesysteme für Schiffe, schwere Land- und Schienenfahrzeuge, militärische Fahrzeuge, für die Öl- und Gasindustrie und für die Energieversorgung entwickelt und vertreibt.
Bereits heute deckt die Fernwärme rund ein Viertel des Augsburger Wärmebedarfs. Mehr als die Hälfte des Wärmebedarfs wird noch mit Erdgasheizungen erzeugt. Doch damit wird bald Schluss sein. So hat sich der Freistaat Bayern zum Ziel gesetzt, ab 2040 klimaneutral zu sein, der Bund ab 2045 und Europa ab 2050. Fossile Energieträger, wie Erdgas oder Erdöl, können dann nicht mehr verbrannt werden.
Und so werden die swa nicht nur das Fernwärmenetz massiv ausbauen, sondern die Erzeugung bis 2040 auch zu 100 Prozent auf regenerative Energie und Abwärme umstellen. Bereits heute stammen mehr als 60 Prozent der Fernwärme aus regenerativer Erzeugung und Abwärme, wie dem Biomassekraftwerk oder der der Müllverbrennungsanlage. „Bei der Fern- oder Nahwärme müssen nur wenige große Wärmeerzeuger auf erneuerbare Quellen umgestellt oder gebaut werden und nicht zigtausende einzelne Gas- oder Ölheizungen in den Gebäuden“, zählt Länge einen weiteren Vorteil der Fernwärme auf. „Das heißt auch, dass sich der Gebäudeeigentümer für die Dekarbonisierung um nichts mehr selbst kümmern muss.“
Erfolgsgeschichte seit 70 Jahren
Vor 70 Jahren hat die Fernwärmeversorgung in Augsburg mit dem Anschluss des Gebäudes der Kreissparkasse am Martin-Luther-Platz begonnen. Seitdem wurden fast die gesamte Augsburger Innenstadt angeschlossen, sowie insbesondere Industriebetriebe, wie die MAN, KUKA oder der Industriepark Augsburg, Krankenhäuser, von der Uniklinik bis zu Josefinum, Diakonissenhaus und Vincentinum, Unternehmen in Gewerbegebieten, wie im Martine-Park, und große Wohnanlagen, wie etwa das Schwabencenter oder viele Anlagen der Wohnbaugruppe und anderer Wohnbaugesellschaften oder Eigentümergemeinschaften.
Bisher liefern die swa je nach Witterung bis zu 680 Millionen Gigawattstunden Wärmeleistung an ihre Kunden, das entspricht einem Wärmebedarf von umgerechnet rund 35.000 Haushalten. 2040 sollen es mit rund 1.100 Gigawattstunden fast doppelt so viel sein. Spätestens seit der Energiekrise sei die Nachfrage nach Fernwärme regelrecht explodiert. „Dort wo wir ankündigen Fernwärme auszubauen, wird das Angebot fast ausschließlich dankend angenommen“, so Längle.
Auch wenn große Flächen des Augsburger Stadtgebiets künftig mit Fernwärme erschlossen werden und sich Gebäudeeigentümer an das Netz anschließen lassen können, wird es auch Bereiche geben, in denen keine Fernwärme verfügbar sein wird. „Insbesondere in Vierteln mit größtenteils kleinteiliger Eigenheim-Bebauung sind andere Lösungen wie Wärmepumpen oder Pellet-Heizungen sinnvoller“, so Längle.
Der Ausbau des Augsburger Fernwärmenetzes reicht aber auch über die Stadtgrenzen hinaus: Seit 2018 können auch die Bewohner der Augsburger Nachbarstadt Neusäß in einigen Gebieten auf die umweltschonende Heizart zurückgreifen. Neusäß wird über die Fernwärmeleitung versorgt, die auch das Universitätsklinikum Augsburg und den dortigen Campus beliefert.
Weitere Informationen: Ausbaukarte und Heizkostenvergleich
Ob Fernwärme in einem Gebiet verfügbar ist oder sein wird, erfahren Interessierte auf der Website der swa unter swa.to/fernwaerme. Dort ist auch die aktuelle Ausbaukarte zum Download bereitgestellt. Dort findet sich auch ein Heizkostenvergleich von verschiedenen Heizarten, je nach Größe und Zustand des Gebäudes. Den Heizostenvergleich hat die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH im Rahmen einer Kurzstudie im Auftrag der swa erstellt. So können Hausbesitzer rasch einen ersten Hinweis bekommen, ob sich der Anschluss an das Fernwärmenetz lohnt, oder eine andere Heizart, wie Wärmepumpe oder Pellet-Heizung günstiger ist.
Foto: Thomas Hosemann