In einer Kooperation werden die Stadtwerke Augsburg (swa) und der Technologiekonzern Rolls-Royce ab 2026 Wärme in die Augsburger Haushalte bringen. Die jetzt unterzeichnete Vereinbarung sieht vor, dass die swa Abwärme aus dem Motoren-Prüfstand von Rolls-Royce am Standort Augsburg nutzen und in ihr rund 220 Kilometer langes Fernwärmenetz der swa Netze einspeisen. Die swa setzen in ihrer Wärmestrategie auch vermehrt auf unvermeidbare industrielle Abwärme für die Augsburger Wärmeversorgung. Bis 2045 sollen mehr als 60 Prozent des Wärmebedarfs in der Stadt mit Fernwärme aus regenerativen Energien gedeckt werden.
Rolls-Royce produziert in Augsburg mtu-Gas- und Dieselaggregate für die Strom- und Wärmeversorgung. swa-Vertriebsleiter Ulrich Längle, der Leiter der swa-Energieerzeugung, Martin Hofer, und der Geschäftsführer von Rolls-Royce Solutions Augsburg GmbH, Tobias Schnell, haben jetzt die Kooperation der beiden Unternehmen besiegelt, wonach die Industrieabwärme ab Mitte 2026 in das Fernwärmenetz der swa eingespeist wird. Die Wärme ist CO2-neutral, weil sie aus der vorhandenen Abwärme der Motorenprüfstände im Werk in der Dasinger Straße gewonnen wird. Umgerechnet etwa 500 Haushalte können mit der zusätzlichen Wärme versorgt und dabei etwa 1.500 Tonnen CO2 pro Jahr vermieden werden.
„Wir freuen uns, gemeinsam mit unserem Kooperationspartner swa, einen Beitrag zur umweltfreundlichen Wärmeversorgung für die Stadt Augsburg und ihre Bürger leisten zu können“, erklärt Tobias Schnell, Geschäftsführer der Rolls-Royce Solutions Augsburg GmbH. Das Unternehmen ist Teil der Rolls-Royce-Division Power System, die weltweit Antriebs- und Energiesysteme für Schiffe, schwere Land- und Schienenfahrzeuge, militärische Fahrzeuge, für die Öl- und Gasindustrie und für die Energieversorgung entwickelt und vertreibt.
Die swa-Fernwärmestrategie
Mehr als 60 Prozent des Augsburger Wärmebedarfs wollen die swa bis 2045 mit Fern- oder Nahwärme decken – heute sind es rund 25 Prozent. Dafür investieren sie rund eine Milliarde Euro. Das Fernwärmenetz mit einer Länge von heute rund 220 Kilometern soll bis dahin deutlich erweitert und neue, zusätzliche Erzeugungsanlagen sowie Wärmespeicher gebaut werden.
Fernwärme ist technologieoffen: Erzeugung mit Biomasse, Wärmepumpen, Abwärme, Power-to-Heat, Geothermie, Wasserstoff…
„Fernwärme ist technologieoffen“, beschreibt swa-Vertriebsleiter Ulrich Längle einen der Vorteile der Fernwärme. „Wir liefern heißes Wasser in Haushalte und Unternehmen, das auf unterschiedliche Weise regenerativ erzeugt werden kann.“ Neben Großwärmepumpen, Wärmespeichern und der Abwärme aus der Müllverbrennung, soll auch verstärkt nicht vermeidbare industrielle Abwärme für die Fernwärme genutzt werden. „Wir sind dazu mit zahlreichen Unternehmen im Gespräch“, so Länlge. Mit dem ersten sei nun eine Liefervereinbarung unterschrieben worden. Das Potenzial der industriellen Abwärme liegt laut Längle bei rund 60 Megawatt Leistung, soviel wie ein größeres Kraftwerk.
Mit der Abwärme der Motorenprüfstände können 500 Haushalte versorgt werden
Bereits heute deckt die Fernwärme rund ein Viertel des Augsburger Wärmebedarfs. Mehr als die Hälfte des Wärmebedarfs wird noch mit Erdgasheizungen erzeugt. Doch damit wird in absehbarer Zeit Schluss sein. So hat sich nach derzeitiger Beschlusslage der Freistaat Bayern zum Ziel gesetzt, ab 2040 klimaneutral zu sein, der Bund ab 2045 und Europa ab 2050. Fossile Energieträger, wie Erdgas oder Erdöl, können dann nicht mehr verbrannt werden.
Und so werden die swa nicht nur das Fernwärmenetz massiv ausbauen, sondern die Erzeugung bis voraussichtlich 2040 auch zu 100 Prozent auf regenerative Energie umstellen. Voraussetzung sind die dann geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen. Bereits heute stammen mehr als 60 Prozent der Fernwärme aus regenerativer Erzeugung und Abwärme, wie dem Biomassekraftwerk oder der Müllverbrennungsanlage. „Bei der Fern- oder Nahwärme müssen nur wenige große Wärmeerzeuger auf erneuerbare Quellen umgestellt oder gebaut werden und nicht zigtausende einzelne Gas- oder Ölheizungen in den Gebäuden“, zählt Länge einen weiteren Vorteil der Fernwärme auf. „Das heißt auch, dass sich der Gebäudeeigentümer für die Dekarbonisierung um nichts mehr selbst kümmern muss.“
Erfolgsgeschichte seit 70 Jahren
Vor 70 Jahren hat die Fernwärmeversorgung in Augsburg mit dem Anschluss des Gebäudes der Kreissparkasse am Martin-Luther-Platz begonnen. Seitdem wurden fast die gesamte Augsburger Innenstadt angeschlossen, sowie insbesondere Industriebetriebe, wie Everllence (vormals MAN), KUKA oder der Industriepark Augsburg, Krankenhäuser, von der Uniklinik bis zu Josefinum, Diakonissenhaus und Vincentinum, Unternehmen in Gewerbegebieten, wie im Martini-Park, und große Wohnanlagen, wie etwa das Schwabencenter oder viele Anlagen der Wohnbaugruppe und anderer Wohnbaugesellschaften oder Eigentümergemeinschaften.
Bisher liefern die swa je nach Witterung bis zu 680 Millionen Gigawattstunden Wärmeleistung an ihre Kunden, das entspricht einem Wärmebedarf von umgerechnet rund 35.000 Haushalten. 2040 sollen es mit rund 1.100 Gigawattstunden fast doppelt so viel sein. Spätestens seit der Energiekrise sei die Nachfrage nach Fernwärme regelrecht explodiert.
Auch wenn große Flächen des Augsburger Stadtgebiets künftig mit Fernwärme erschlossen werden und sich Gebäudeeigentümer an das Netz anschließen lassen können, wird es auch Bereiche geben, in denen keine Fernwärme verfügbar sein wird. „Insbesondere in Vierteln mit größtenteils kleinteiliger Eigenheim-Bebauung sind andere Lösungen wie Wärmepumpen oder Pellet-Heizungen sinnvoller“, so Längle.
Der Ausbau des Augsburger Fernwärmenetzes reicht aber auch über die Stadtgrenzen hinaus: Seit 2018 können auch die Bewohner der Augsburger Nachbarstadt Neusäß in einigen Gebieten auf die Heizart zurückgreifen. Neusäß wird über die Fernwärmeleitung versorgt, die auch das Universitätsklinikum Augsburg und den dortigen Campus beliefert.